Chemische Verfahrenstechnik

Chemische Verfahrenstechnik – Definition und Anwendung

Die chemische Verfahrenstechnik ist ein interdisziplinäres Fachgebiet an der Schnittstelle von Chemie und Ingenieurwissenschaften. Ihr Ziel ist es, chemische Prozesse vom Labormaßstab in industrielle Produktionsprozesse umzuwandeln.

Was versteht man unter der chemischen Verfahrenstechnik?

Chemische Verfahrenstechnik lässt sich als die Technologie der Maßstabsvergrößerung chemischer Reaktionen, die im Labor demonstriert wurden, auf kommerzielle Größenordnungen definieren.

Sie befasst sich mit der Entwicklung von Verfahren und dem Entwurf und Betrieb von Anlagen, in denen Materialien Veränderungen in ihrem physikalischen oder chemischen Zustand erfahren. Dabei werden die Prinzipien der Chemie, Physik und Mathematik angewendet, um Rohstoffe in nützliche Produkte umzuwandeln. Chemische Verfahrensingenieure entwickeln demnach wirtschaftliche kommerzielle Verfahren, um Rohstoffe in nützliche Produkte umzuwandeln.

Bedeutung der chemischen Verfahrenstechnik

Die chemische Verfahrenstechnik hat eine enorme Bedeutung in der modernen Industrie, da sie die Grundlage für die Produktion von alltäglichen Gütern und High-Tech-Produkten bildet. Ohne die Verfahrenstechnik wären viele Produkte, die wir heute als selbstverständlich erachten, nicht in der Form oder in der Menge verfügbar. Dazu gehören beispielsweise Medikamente, Nahrungsmittel, Kunststoffe oder Kraftstoffe.

Die Weiterentwicklung und Anwendung innovativer Verfahren ist auch entscheidend für die Zukunft, besonders in Bereichen wie der Energieproduktion oder der Umweltschutztechnologie.

Verfahren der Chemischen Verfahrenstechnik

Die chemische Verfahrenstechnik umfasst eine Vielzahl von Verfahren, die zur Umwandlung von Stoffen verwendet werden. Die Verfahren lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die sich durch die Art der Stoffumwandlung unterscheiden:

Mechanische Verfahrenstechnik

Die mechanische Verfahrenstechnik befasst sich mit Stoffwandlungsprozessen, die auf mechanischer Einwirkung beruhen. Diese Prozesse lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen: die Änderung der Stoffeigenschaften, die Änderung der Stoffzusammensetzung und die Änderung der Stoffart. Zu den wichtigsten Verfahren gehören:

  • Zerkleinern: Zerteilen von Feststoffen in kleinere Partikel. Dies dient dazu, die Oberfläche zu vergrößern, die Reaktionsfähigkeit zu erhöhen oder die Stoffeigenschaften zu verändern. Anwendungsbeispiele: Mahlen von Getreide, Zerkleinern von Erzen.
  • Agglomerieren: Zusammenballen von kleinen Partikeln zu größeren Einheiten. Dies dient dazu, die Handhabung zu verbessern, die Fließfähigkeit zu erhöhen oder die Staubentwicklung zu reduzieren. Anwendungsbeispiele: Herstellung von Tabletten, Pellets, Briketts.
  • Mischen: Vermengen von Stoffen, um eine homogene Mischung zu erhalten. Dies dient dazu, die Stoffeigenschaften zu homogenisieren, chemische Reaktionen zu ermöglichen oder Produkte mit definierter Zusammensetzung herzustellen. Anwendungsbeispiele: Herstellung von Suspensionen, Emulsionen, Lösungen.
  • Trennen: Abtrennung von Stoffen aus einem Gemisch. Dies dient dazu, Reinstoffe zu gewinnen, unerwünschte Bestandteile zu entfernen oder Stoffgemische in ihre Komponenten zu zerlegen. Anwendungsbeispiele: Filtration, Sedimentation, Flotation.

Thermische Verfahrenstechnik

Die thermische Verfahrenstechnik nutzt Wärme- und Stofftransportprozesse, um die Zusammensetzung von Stoffgemischen zu verändern. Zu den wichtigsten Verfahren gehören:

  • Destillation: Trennung von Flüssigkeiten durch unterschiedliche Siedepunkte. Ein typisches Beispiel ist die Destillation von Rohöl in Raffinerien, wo Rohöl in verschiedene Bestandteile wie Benzin, Kerosin oder Diesel zerlegt wird.
  • Rektifikation: Mehrstufige Destillation zur Gewinnung hochreiner Stoffe. Die Rektifikation kann in Bodenkolonnen oder Füllkörperkolonnen durchgeführt werden. Anwendungsbeispiele: Trennung von Lösungsmitteln, Reinigung von Chemikalien, Luftzerlegung zur Gewinnung von Stickstoff und Sauerstoff.
  • Trocknung: Entfernung von Feuchtigkeit aus einem Stoff. Industrielle Trocknungsprozesse erfolgen in der Regel bei Temperaturen zwischen 40 und 250 °C. Ein wichtiger Anwendungsbereich ist die Lebensmittelindustrie, wo die Trocknung zur Konservierung von Lebensmitteln eingesetzt wird.
  • Kristallisation: Bildung von Feststoffen aus einer Lösung oder Schmelze. Anwendungsbeispiele: Gewinnung von Salz, Herstellung von Pharmazeutika, Produktion von Halbleitern in der Elektronikindustrie.

Chemische Verfahrenstechnik und elektrochemische Verfahren

Die chemische Verfahrenstechnik befasst sich mit der Durchführung chemischer Reaktionen im technischen Maßstab. Zu den wichtigsten Verfahren gehören:

  • Reaktionstechnik: Auslegung und Betrieb von chemischen Reaktoren. In der chemischen Verfahrenstechnik werden verschiedene Reaktortypen eingesetzt, wie z. B. der ideale Rührkessel, die Rührkesselkaskade und das ideale Strömungsrohr. Ein wichtiger Aspekt der Reaktionstechnik ist das Scale-up, d. h. die Übertragung von Laborergebnissen in den Produktionsprozess.
  • Katalyse: Beschleunigung chemischer Reaktionen durch Katalysatoren.
  • Elektrochemische Verfahren: Nutzung von elektrischem Strom zur Stoffumwandlung. In der chemischen Verfahrenstechnik spielt Energie eine zentrale Rolle, da viele Produktionsprozesse energieintensiv sind. Verfahrenstechniker arbeiten daran, die Energieeffizienz zu maximieren und den Energieverbrauch sowie die CO2-Emissionen zu minimieren.

Bioverfahrenstechnik

Die Bioverfahrenstechnik nutzt biologische Prozesse, um Stoffe umzuwandeln. Zu den wichtigsten Verfahren gehören:

  • Fermentation: Stoffumwandlung durch Mikroorganismen. Anwendungsbeispiele: Herstellung von Bier, Joghurt, Antibiotika.
  • Enzymtechnik: Einsatz von Enzymen als Biokatalysatoren. Anwendungsbeispiele: Herstellung von Waschmitteln, Lebensmitteln, Pharmazeutika.

Weitere Verfahren

Neben den oben genannten Verfahren gibt es noch eine Reihe weiterer Verfahren der chemischen Verfahrenstechnik, wie z. B.:

  • Extraktion: Herauslösen eines Stoffes aus einem Gemisch mithilfe eines Lösungsmittels. Extraktion wird häufig in der organisch-chemischen Industrie, der anorganisch-chemischen Industrie, der Pharmazie und der Lebensmittelindustrie eingesetzt.
  • Absorption: Aufnahme von Gasen in Flüssigkeiten. Es wird zwischen physikalischer und chemischer Absorption unterschieden. Beispiel: Herstellung von Salzsäure.
  • Adsorption: Anlagerung von Stoffen an Oberflächen.
  • Membranverfahren: Trennung von Stoffen durch Membranen. Anwendungsbeispiele: Wasseraufbereitung, Gastrennung.

Anwendungsgebiete der chemischen Verfahrenstechnik

Die chemische Verfahrenstechnik findet Anwendung in einer Vielzahl von Industriezweigen. Dazu gehören unter anderem die chemische Industrie, die Pharmaindustrie, die Lebensmittelindustrie, die petrochemische Industrie, die Energieproduktion und die Umwelttechnik.

Chemische Industrie

Herstellung von Grundchemikalien, Kunststoffen, Farben, Lacken, Waschmitteln und anderen chemischen Produkten. Chemische Verfahrensingenieure sind in dieser Branche für die Entwicklung, Planung und den Betrieb von Anlagen zur Herstellung dieser Produkte verantwortlich. Sie sorgen dafür, dass die Produktionsprozesse effizient, sicher und umweltverträglich sind.

Pharmaindustrie

In der Pharmaindustrie werden chemische Verfahren genutzt, um Medikamente und andere pharmazeutische Produkte zu produzieren. Die Verfahren stellen sicher, dass Wirkstoffe in der richtigen Reinheit und Form vorliegen. Reaktionsverfahren und Trennverfahren werden beispielsweise genutzt, um die richtigen Konzentrationen und Wirkstoffmengen zu erzeugen.

Lebensmittelindustrie

In der Lebensmittelindustrie kommen chemische Verfahren zur Verarbeitung und Konservierung von Nahrungsmitteln zum Einsatz. Diese Verfahren ermöglichen eine lange Haltbarkeit und verhindern das Wachstum von schädlichen Mikroorganismen. Beispiel: Pasteurisierung und Sterilisation sorgen dafür, dass Lebensmittel sicher konsumiert werden können.

Petrochemische Industrie

In der Petrochemie wird Rohöl in eine Vielzahl von Produkten wie Kunststoffe, Treibstoffe und Chemikalien umgewandelt. Dabei spielen Verfahren wie Destillation und Cracken eine große Rolle.

Energieproduktion

In der Energieproduktion wird die Verfahrenstechnik genutzt, um aus erneuerbaren Rohstoffen Energie zu gewinnen. Diese Verfahren helfen, fossile Brennstoffe zu ersetzen und die CO₂-Emissionen zu senken. Beispielsweise führt das Vergasen von Biomasse zu Synthesegasen, die als Energiequelle genutzt werden können.

Umwelttechnik

Die Umwelttechnik nutzt chemische Verfahren, um die Auswirkungen von Industrieprozessen auf die Umwelt zu reduzieren. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Abfallbehandlung, der Abwasserreinigung und der Luftreinhaltung. Luftreinigungssysteme wie Katalysatoren und Absorptionsverfahren können dabei helfen, Schadstoffe in den Abgasen zu reduzieren.

Technologien in der chemischen Verfahrenstechnik

Die chemische Verfahrenstechnik nutzt verschiedene Technologien, um Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Hier sind einige der wichtigsten Technologien:

Membrantechnologie

Membrane trennen Substanzen auf molekularer Ebene. Sie werden in der Wasseraufbereitung, Abgasreinigung und Lebensmittelindustrie eingesetzt. Wichtige Verfahren sind Umkehrosmose, Nanofiltration und Gaspermeation, die eine energieeffiziente Trennung ermöglichen.

Katalyse und Katalysatoren

Katalysatoren beschleunigen Reaktionen, ohne verbraucht zu werden. In der heterogenen Katalyse, wie bei der Ammoniakproduktion oder der homogenen Katalyse, etwa in der Biodieselproduktion, werden Reaktionen effizienter und energieärmer gestaltet.

Digitalisierung und Prozessautomatisierung

Digitale Technologien wie Prozesssteuerungssysteme verbessern die Effizienz und Wartung von Anlagen. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen optimieren Prozesse in Echtzeit.

Nachhaltige Verfahrenstechnik

Technologien der grünen Chemie und Kreislaufwirtschaft fördern umweltfreundliche Prozesse. Energieeffiziente Trennverfahren, wie Membranen zur Gas- oder Flüssigkeitstrennung, helfen, Ressourcen zu schonen und die Umwelt zu entlasten. Diese Technologien verbessern nicht nur die Effizienz, sondern tragen auch zu einer nachhaltigeren und wirtschaftlicheren Produktion in der chemischen Verfahrenstechnik bei.

Häufige Fragen zur chemischen Verfahrenstechnik

Welche Herausforderungen gibt es in der chemischen Verfahrenstechnik?

Zu den Herausforderungen zählen steigende Umweltauflagen, die Reduktion von Emissionen, die Entwicklung neuer Materialien und die Digitalisierung von Produktionsprozessen.

Wie trägt die chemische Verfahrenstechnik zur Nachhaltigkeit bei?

Durch energieeffiziente Verfahren, den Einsatz erneuerbarer Rohstoffe und Recycling-Technologien hilft die chemische Verfahrenstechnik, Ressourcen zu schonen und umweltfreundlichere Produktionsprozesse zu entwickeln.

Welche Software-Tools werden in der chemischen Verfahrenstechnik eingesetzt?

In der chemischen Verfahrenstechnik kommen zahlreiche Software-Programme zum Einsatz, um Prozesse zu simulieren, Anlagen zu planen und Strömungsmechaniken zu berechnen. Einige davon sind beispielsweise Aspen Plus & Aspen HYSYS (Für Prozesssimulationen und Optimierung chemischer Anlagen), CHEMCAD (Besonders beliebt in der Ausbildung und Industrie für Prozesssimulationen), gPROMS (Für modellbasierte Prozessoptimierung), ANSYS Fluent & COMSOL Multiphysics (Für CFD-Simulationen), AutoCAD & AVEVA PDMS/E3D (Für die Anlagenplanung und 3D-Visualisierung), Siemens COMOS & EPLAN (Zur Planung und Verwaltung von Prozess- und Elektroanlagen), SAP PP (Production Planning) & SAP EHS (Für Produktionsplanung und Umweltmanagement) uvm.

Welche Trends und Innovationen gibt es in der chemischen Verfahrenstechnik?

Aktuelle Entwicklungen umfassen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Prozessoptimierung, nachhaltige chemische Verfahren (z. B. Biotechnologie) und die Nutzung alternativer Energiequellen wie Wasserstofftechnologie.

Welche Berufe gibt es in der chemischen Verfahrenstechnik?

Typische Berufe sind Verfahrenstechniker, Chemieingenieure, Anlagenplaner und Produktionsleiter. Experten in diesem Bereich arbeiten in Forschung & Entwicklung, Produktion, Qualitätskontrolle oder im Anlagenbau.

Chemische Verfahrenstechnik am Beispiel einer Raffinerie
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